Anthropogene Radionuklide
Als anthropogene Radionuklide werden alle radioaktiven Nuklide bezeichnet, welche durch die technologische Nutzung von Kernreaktionen erzeugt wurden und werden. Der Großteil dieser Radionuklide wurde in den 1950er und 1960er Jahren durch die atmosphärischen Kernwaffentests in die Umwelt freigesetzt. Außerdem stellt die zivile Nutzung der Kernspaltung zur Energieerzeugung in Kernkraftwerken einen weiteren Eintragsweg dar. Dabei sind insbesondere die Reaktorunfälle in Tschernobyl (1986) und Fukushima-Daiichi (2011) sowie der stetige Eintrag durch Wiederaufbereitungsanlagen von Relevanz. Die technologische Nutzung der Kernspaltung hat somit zu einer weltweiten Verteilung von Spalt- und Aktivierungsprodukten sowie Aktiniden in der Umwelt geführt. Daher ist eine Überwachung und Erfassung dieser Radionuklide von besonderer Wichtigkeit, um das Gesundheitsrisiko der Bevölkerung zu minimieren aber auch um illegale Aktivitäten mit radioaktiven Materialien aufzuklären. Auf der anderen Seite hat die Freisetzung dieser Nuklide in die Umwelt weitere Grundlagenforschung im Bereich der Geowissenschaften, Ökologie und Medizin erst ermöglicht. Durch die Beschleuniger-Massenspektrometrie können wenige Atome dieser anthropogenen Radionuklide in verschiedensten Umweltproben detektiert und deren Herkunft analysiert werden. Mit keiner anderen analytischen Methode sind derart geringe Nachweisgrenzen möglich, was die Beschleuniger-Massenspektrometrie einzigartig für die Ultraspurenanalyse von Radionukliden macht.
Anwendungen
Kernwaffen-Effekt. Die atmosphärischen Kernwaffentests haben aufgrund ihres immensen Neutronenflusses das Vorkommen bestimmter Radionuklide signifikant erhöht. So hat sich z. B. der 14C-Gehalt in der Atmosphäre im Jahr 1963 verdoppelt. Durch die stetige Aufnahme in die Ozeane und die Biosphäre hat sich dieser Gehalt heute wieder nahezu dem ursprünglichen Level angeglichen. Dieser starke Konzentrationsanstieg ermöglicht es, sehr genaue Datierungen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts durchzuführen und unter Umständen sogar das genaue Jahr zu bestimmen. Dies wird genutzt, um mit Hilfe dieser Radionuklide eine Vielzahl von biologischen und ökologischen Prozessen zu untersuchen. Dieser Bomben-Puls hat insbesondere dazu beigetragen, unser Verständnis des globalen Kohlenstoffkreislaufs signifikant zu verbessern.
Bestimmung von Meeresströmungen. Mit Hilfe von anthropogenen Radionukliden ist es möglich, den Verlauf von Meeresströmungen und die marine Geochemie von Spurenelementen aufzuklären. Da sich der Zeitpunkt des Eintrags dieser Radionuklide in die Ozeane genau bestimmen lässt, sind detaillierte Untersuchungen der Verteilung und des Transports in den Weltmeeren möglich. Außerdem kann der Nährstofftransport und die Sedimentationsmechanismen von verschiedenen Elementen mit Hilfe der radioaktiven Isotope untersucht werden. Ein Beispiel für einen solchen Tracer ist das Nuklid 236U, während die verschiedenen Plutoniumisotope meist schnell als unlösliche Verbindungen abgeschieden werden. 14C aus den Kernwaffentests wäre ebenfalls ein sehr guter Marker für die Meeresströmungen. Jedoch wurden zur Zeit der maximalen Konzentration in der Atmosphäre nur sehr wenige Daten erhoben, da die Beschleuniger-Massenspektrometrie noch nicht als Messmethode zur Verfügung stand. Derartige Daten geben einen Einblick in den Austausch von CO2 zwischen der Atmosphäre und dem Ozean, ein wichtiger Bestandteil zum Verständnis des globalen Kohlenstoffkreislaufs.
Rückbau von kerntechnischen Anlagen. Der Reaktordruckbehälter und die umliegenden Konstruktionsmaterialien werden während der Laufzeit einem konstanten Neutronenfluss ausgesetzt. Dies führt zur Bildung von radioaktiven Aktivierungsprodukten wie 14C, 36Cl, 41Ca, 55Fe, 59/63Ni, 60Co, 99Tc oder 152/154Eu. Neben einigen kurzlebigen Gammastrahlern wie 60Co oder 152/154Eu haben die meisten dieser Radionuklide relativ lange Halbwertzeiten, weshalb sie mit herkömmlichen radioanalytischen Messmethoden nur schwer erfasst werden können. Die Beschleuniger-Massenspektrometrie stellt eine Alternative zu diesen klassischen Methoden dar, um die Menge der Aktivierungsprodukte effektiv bestimmen zu können. Dies ermöglicht letztendlich einen effektiven Rückbau der kerntechnischen Anlagen.
Nutzer Informationen
Projekte und Kollaborationen
|
Literatur
Grundlagen
|
Eigene Publikationen (siehe auch hier)
|