Presseinformation vom 21. Juni 2024

Reaktivierung geschädigter Motoneuronen mit Magnetfeldern 

HZDR erhält zwei Millionen Euro für die Erforschung eines neuen Therapieansatzes bei neurodegenerativen Erkrankungen

Ein interdisziplinäres Forschungsteam unter Leitung des Physikers Dr. Thomas Herrmannsdörfer vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) hat im Zellversuch nachgewiesen, dass Magnetfelder gestörte Motoneuronen wiederherstellen können. Motoneuronen senden bei gesunden Menschen Signale an die Skelettmuskulatur. Bei neurodegenerativen Erkrankungen wie der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS) sind sie jedoch geschädigt und übermitteln keine Signale mehr. In der Folge erhalten Muskeln keine Anweisungen, können nicht mehr arbeiten und schwinden. Um die Forschung zur Reaktivierung der Motoneuronen mit Magnetfeldern fortsetzen und in die klinische Praxis überführen zu können, fördert das Sächsische Wissenschaftsministerium (SMWK) das Projekt „ThaXonian – Magnetic Therapy for Axon Regeneration“ in den kommenden drei Jahren mit circa zwei Millionen Euro.

Foto: Mit gepulsten Magnetfeldern gegen neurodegenerative Erkrankungen ©Copyright: HZDR/Sahneweiß

Mit gepulsten Magnetfeldern gegen neurodegenerative Erkrankungen

Bild: HZDR/Sahneweiß

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Die im Zellversuch nachgewiesene erfolgreiche Reaktivierung geschädigter Motoneuronen durch Magnetfelder könnte die Grundlage für einen völlig neuen Therapieansatz zur Heilung neurodegenerativer Erkrankungen sein. Ziel des nun vom SMWK geförderten Projektes ist es, aufbauend auf den Zellversuchen eine entsprechende Therapie zu entwickeln, um neuronale Erkrankungen wie die bisher nicht heilbare ALS behandeln zu können. Herrmannsdörfer wertet die Förderung auch als Bestätigung der bisherigen Forschungsergebnisse: „Unser Antrieb ist es, ALS-Patientinnen und -Patienten, die oft schon wenige Jahre nach der Diagnose mit dem Tod konfrontiert sind, neue Hoffnung zu geben und möglichst ihr Leben zu retten oder zumindest ihre Lebensqualität zu verbessern und Lebensdauer zu erhöhen.“

Prof. Sebastian M. Schmidt, Wissenschaftlicher Direktor des HZDR, sieht mit der Förderung auch die strategische Ausrichtung des HZDR bestätigt: „Ich freue mich sowohl für das Forschungsteam als auch für die Betroffenen, die an neurodegenerativen Erkrankungen leiden und händeringend auf neue Therapieansätze warten. ThaXonian ist ein Projekt, das in besonderer Weise unser Anliegen als HZDR widerspiegelt, anwendungsorientiert und interdisziplinär wissenschaftliche Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit zu entwickeln. Außerdem zeigt es exemplarisch, wie die enge Zusammenarbeit verschiedener Einrichtungen innerhalb von DRESDEN-concept zukunftsfähige Forschung ermöglicht.“

Herrmannsdörfer, Abteilungsleiter am Hochfeld-Magnetlabor Dresden (HLD) des HZDR, arbeitet eng mit dem Zellbiologen Dr. Arun Pal und dem Mediziner Prof. Richard Funk zusammen. Gemeinsam mit Kolleg*innen der Universitäten in Dresden und Rostock bilden sie ein Forschungsteam aus den Bereichen Physik, Medizin, Biologie und Biotechnologie. Seitens HZDR ist neben dem HLD das Team um Prof. Jens Pietzsch vom Zentrum für Radiopharmazeutische Tumorforschung (ZRT) am Projekt beteiligt.

Die Wissenschaftler*innen verfolgen mit der Förderung drei große Ziele

Die In-vitro-Untersuchungen (Zellversuche) werden fortgesetzt. Dabei sollen die Erkenntnisse über die Wirkung der Magnetfelder auf humane Nervenzellen weiter vertieft werden. Außerdem wird untersucht, inwieweit die Erkenntnisse, die bisher auf der Arbeit mit gestörten Motoneuronen von ALS-Patient*innen und gesunden Proband*innen beruhen, auch auf andere neurodegenerative Erkrankungen wie zum Beispiel Alzheimer, Morbus Parkinson, altersbedingte und diabetische Polyneuropathie übertragbar sind.  Da die Methodik an grundlegenden zellbiologischen Prozessen ansetzt, gehen Herrmannsdörfer und sein Team davon aus, dass die Übertragbarkeit sehr wahrscheinlich ist.

In einem zweiten Themenfeld geht es um den Übergang zu In-vivo-Untersuchungen. Dabei sollen die bisher an Zellkulturen gewonnenen Erkenntnisse an Mausmodellen verifiziert werden. Das Team will im Tierversuch zeigen, inwieweit die an humanen In-vitro-Zellkulturen beobachteten Ergebnisse auf das wesentlich komplexere In-vivo-Gewebe, in dem Motoneuronen beispielsweis von Gliazellen oder Blutbahnen umgeben sind, übertragbar sind. Ziel ist es, die Sicherheit und Wirkung von Magnetstimulationen zu verifizieren. Dies ist eine notwendige Voraussetzung, um später erste Probandenstudien beantragen zu können.

In den vergangenen Jahren hat das Team um Herrmannsdörfer den Prototypen einer Therapieanlage entworfen. Um diesen Demonstrator für einen eventuellen Einsatz an Proband*innen und Patient*innen vorzubereiten, sind umfangreiche technische Validierungs- und Weiterentwicklungsarbeiten erforderlich, die die Einhaltung der regulatorischen Vorgaben der europäischen Verordnung für Medizinprodukte garantieren. Ziel ist es, mit dem Demonstrator die in den In-vitro- und In-vivo-Experimenten ermittelten therapeutisch notwendigen Magnetfelder sicher erzeugen und steuern zu können.

Das vom SMWK mit EFRE-Mitteln geförderte Projekt startet am 1. Juli 2024. In den kommenden drei Jahren erhält das Projektteam rund zwei Millionen Euro.


Weitere Informationen:
Dr. Thomas Herrmannsdörfer I Hochfeld-Magnetlabor Dresden am HZDR
Tel.: +49 351 260 3320 I E-Mail: t.herrmannsdoerfer@hzdr.de, thaxonian-info@hzdr.de 
https://www.hzdr.de/thaxonian

Medienkontakt ThaXonian:

Kim-Astrid Magister | Kommunikation und Medien
Tel.: +49 351 260 3406 | E-Mail: k.magister@hzdr.de


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