AI@HZDR im Forschungsbereich Materie

Wissenschaflter*innen im größten Forschungsbereich des HZDR nutzen Methoden der Künstlichen Intelligenz – Artificial Intelligence, AI –, um beispielsweise große Datenmengen zu analysieren oder Simulationen zu beschleunigen. Am CASUS - Center for Advanced Systems Understanding in Görlitz entwickeln Data Scientists Algorithmen der Künstlichen Intelligenz und des maschinellen Lernens weiter, aber auch Software für Exascale-Computer wie den US-amerikanischen FRONTIER-Rechner. Damit ermöglichen sie vielseitige und ultraschnelle Simulationen. Das Schöne: Viele der neuen AI-Modelle lassen sich von einem Problem auf andere übertragen.


Zukunftsmaterialien dank beschleunigter Simulationen

Foto: Momentaufnahme einer Deep-Learning-Simulation ©Copyright: HZDR / CASUS

Momentaufnahme einer Deep-Learning-Simulation | Bild: HZDR/CASUS

Für jede nur denkbare Materialkombination die Eigenschaften am Computer zu berechnen statt zeitraubende Experimente im Labor durchzuführen – davon dürften neue Informations- und Kommunikationstechnologien ebenso profitieren wie die Energiewende oder die Arzneimittel-Entwicklung. Möglich wird dies durch das Software-Paket MALA (Materials Learning Algorithms), das Methoden des Deep Learning (s. Glossar) mit physikalischen Ansätzen kombiniert. Ausgangspunkt für das maschinelle Lernmodell, das am HZDR-Institut CASUS entwickelt wurde: die im Raum angeordneten Atome mit ihren jeweiligen Nachbarn. Entsprechend trainiert, kann MALA die elektronische Struktur eines Materials vorhersagen – und das für mehr als hunderttausend Atome und in beispielloser Geschwindigkeit.

Der MALA-Ansatz eignet sich besonders für das Hochleistungsrechnen (High-Performance Computing, HPC). Mit zunehmender Systemgröße ermöglicht MALA eine unabhängige Verarbeitung auf dem von ihm genutzten Rechengitter, weshalb sich das Software-Paket durch einen äußerst effizienten Umgang mit HPC-Ressourcen – insbesondere mit Grafikprozessoren – auszeichnet.

Außer bei den Entwicklungspartnern HZDR und Sandia National Laboratories kommt MALA bereits bei Einrichtungen und Unternehmen wie dem Georgia Institute of Technology, der North Carolina A&T State University, Sambanova Systems Inc. und der Nvidia Corp. zum Einsatz.

Ansprechpartner:
Dr. Attila Cangi
Abteilungsleiter: Maschinelles Lernen für Materialmodellierung

Weitere Informationen:
►Pressemeldung: CASUS-Forscher erhalten begehrten Preis in den USA
►Pressemeldung: Maschinelles Lernen leitet neue Ära in den Materialwissenschaften ein


Foto: Elektromagnetische Felder regen Schwingungen in einem magnetischen Vortex an. Die nichtlineare Wechselwirkung ähnelt dem Wechselspiel zwischen Neuronen und Synapsen im Gehirn und lässt sich für die Mustererkennung nutzen. ©Copyright: HZDR / H.Schultheiß

Elektromagnetische Felder regen Schwingungen in einem magnetischen Vortex an. Die nichtlineare Wechselwirkung ähnelt dem Wechselspiel zwischen Neuronen und Synapsen im Gehirn und lässt sich für die Mustererkennung nutzen. | Bild: H.Schultheiß/HZDR

Gehirninspiriertes Computing

Daten von Abstands-, Bewegungs- oder Geschwindigkeits-Sensoren blitzschnell erfassen und in exakter zeitlicher Reihenfolge auswerten, das müssen autonome Fahrsysteme zukünftig leisten. Aktuell wird diese Arbeit von Software erledigt, die auf klassischen Computersystemen läuft. Zwar können eigens dafür entwickelte neuronale Netze solche schnellen Sensordaten verarbeiten, doch mit der Aufgabe, dies in Echtzeit und in der richtigen zeitlichen Abfolge zu leisten, sind sie aufgrund der herkömmlichen Rechnerarchitektur meist überfordert. 

Dieses Problem wollen Forscher*innen am HZDR-Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung gemeinsam mit internationalen Kolleg*innen und Chipherstellern lösen und haben dazu das EU-geförderte Projekt NIMFEIA ins Leben gerufen.

Ihre neue Hardware basiert auf mikrometerkleinen, magnetischen Scheiben. Regt man diese mit elektrischen Pulsen im Mikrowellenbereich an, entstehen Wellen im Magneten. Die Quantenteilchen dieser Wellen, die Magnonen, können in viele weitere Magnonen zerfallen. So lassen sich Muster im zeitlichen Verlauf erkennen und in Echtzeit verarbeiten. Die dabei ablaufenden Prozesse ähneln der Signalspeicherung und -verarbeitung von vernetzten Neuronen im Gehirn – bis hin zu der Tatsache, dass Neuronen die empfangenen Reize nur dann weiterleiten, wenn sie oberhalb eines gewissen Schwellenwerts liegen. Das trifft für die Magnonen, die eine Aktivierungsschwelle überwinden müssen, ebenfalls zu. Ein weiterer Vorteil: Die neuromorphe Technik kommt mit einem Bruchteil der Energie aus, die herkömmliche Systeme benötigen.

Ansprechpartner:
Dres Helmut und Kathrin Schultheiß
Forschungsgruppe Spin: Wechselwirkung und Kontrolle

Weitere Informationen:
►Pressemeldung: HZDR-Team geht nächsten Schritt zum neuromorphen Rechnen


Digitaler Zwilling verbessert Experimente an Hochleistungslasern

Foto: Ultrastark und ultraschnell: Laserplasma-Beschleunigung ©Copyright: HZDR/André Wirsig

Bild aus der Vakuumkammer des Laserplasma-Beschleunigers DRACO | Bild: HZDR/André Wirsig

Trifft der Lichtblitz eines Hochleistungslasers auf Materie, läuft eine Unmenge an Prozessen auf unterschiedlichen Größenskalen quasi gleichzeitig ab. Forscher*innen können diese weder im Experiment direkt messen noch in der Theorie umfassend beschreiben. Deshalb entwickeln Data Scientists zusammen mit Physiker*innen des HZDR-Instituts für Strahlenphysik äußerst leistungsfähige Computersimulationen und digitale Zwillinge der Experimente. Als Basis dient ihnen der vielseitig einsetzbare Plasma-Simulationscode PIConGPU. Gelingt es beispielsweise, die Bahn der Teilchen genauestens zu rekonstruieren, dann lassen sich die Lasersysteme DRACO und PENELOPE zu immer höheren Intensitäten treiben und die Qualität der erzeugten Protonenpulse verbessern.

Ansprechpartner:
Prof. Ulrich Schramm
Direktor am Institut für Strahlenphysik | Abteilungsleiter Laser-Teilchenbeschleunigung

Dr. Michael Bussmann
Deputy Director CASUS - Center for Advanced Systems Understanding
Gruppenleiter Computergestützte Strahlenphysik

Weitere Informationen:

►Internetseite: Laser-plasma-acceleration for ultra-high dose rate radiobiology


Schnellerer Weg zu synthetischen Daten

Foto: Ersatzmodelle neuronaler Netze in der Hochenergiephysik ©Copyright: CASUS/2021 CMS Collaboration

Ersatzmodelle neuronaler Netze in der Hochenergie-Physik | Bild: CASUS/2021 CMS Collaboration

 

Experimentelle Daten werden in der physikalischen Grundlagenforschung häufig durch synthetisch erzeugte Daten ergänzt. Mit aktuell verfügbaren Simulationsmethoden ist dies ein zeitintensives Unterfangen, das immense Rechnerkapazitäten bindet. Ein Kooperationsprojekt zwischen DESY Deutsches Elektronen-Synchrotron und HZDR widmet sich einem Ansatz, mit dem sich Daten zum Verhalten von physikalischen Systemen mithilfe neuronaler Netze schneller erzeugen lassen. 

Ziel des Projekts „SynRap – Auf maschinellem Lernen basierende Generierung synthetischer Daten für die schnelle Modellbildung in der Physik“ ist es, den Prozess um den Faktor 1.000 zu beschleunigen. Dafür wollen die DESY-Wissenschaftler*innen zusammen mit ihren CASUS-Kolleg*innen vom HZDR eine Toolbox von geeigneten Algorithmen des maschinellen Lernens zusammenstellen. Diese Algorithmen stammen aus einer bestimmten Untergruppe der neuronalen Netzwerke – in Abgrenzung zu den tiefen neuronalen Netzwerken handelt es sich um sogenannte stellvertretende neuronale Netzwerke beziehungsweise Ersatzmodelle neuronaler Netzwerke („surrogate neural networks“).

Das Besondere des Projekts: Der Werkzeugkasten mit verschiedenen neuronalen Netzwerken soll in vielen Forschungsgebieten Verwendung finden.

Ansprechpartner:
Dr. Attila Cangi
Abteilungsleiter: Maschinelles Lernen für Materialmodellierung

Weitere Informationen:
►Pressemeldung: Helmholtz-Gemeinschaft fördert Projekt zur Datengewinnung mittels neuronaler Netzwerke


Extreme Zustände mit AI vorhersagen

Foto: Mit KI-Methoden und Experimenten den extremen Bedingungen Im Inneren von Planeten auf der Spur ©Copyright: HZDR/Science Communication Lab

Im Inneren von Planeten herrschen extremste Bedingungen | Animation: HZDR/Science Communication Lab

Tausende Exoplaneten hat das Kepler-Weltraumteleskop der NASA in weit entfernten Galaxien aufgespürt. Wie groß ein solcher Planet ist, ob die Temperatur auf seiner Oberfläche Leben zulässt und aus welchen chemischen Elementen er besteht, können Fachleute durch Beobachtung feststellen. Viele Fragen – zum Beispiel zur inneren Struktur oder zur Existenz eines Magnetfelds – bleiben offen. Data Scientists am HZDR-Institut CASUS in Görlitz entwickeln derzeit einen digitalen Zwilling, der auf Basis der verfügbaren Daten sowie unterschiedlicher Wahrscheinlichkeitsannahmen zum besseren Verständnis von Exoplaneten beitragen soll. So wollen sie wichtige Wissenslücken über fremde Planetensysteme schließen. Zudem ermöglicht eine neue Simulationsmethode erstmals zuverlässige Vorhersagen für zukünftige Experimente – beispielsweise an der Helmholtz International Beamline for Extreme Fields am European XFEL.

Ansprechpartner:
Dr. Attila Cangi
Abteilungsleiter: Maschinelles Lernen für Materialmodellierung

Dr. Tobias Dornheim
CASUS-Nachwuchsgruppenleiter: Frontiers of Computational Quantum Many-Body-Theory

Weitere Informationen:
►Pressemeldung: Mit dem Zufall gerechnet: Weg zu neuen Erkenntnissen über Planeten und Sterne